RAA Challenge 2017 – Team Six by Diagnosix

Spätestens als mein Bruder Reinhard und sein Kollege Thomas vor genau 2 Jahren von der Startrampe in St. Georgen im Attergau ihre erste Race Around Austria Teilnahme gestartet haben, hat mich das Rennradfieber gepackt und es wird mich bestimmt nicht mehr loslassen.

Zwei Jahre später und doch schon einige Stunden in das Training am Rennrad und Ergometer in der Winterzeit investiert, stehe ich also selber auf der giftgrünen Plattform in St. Georgen und diesmal wird mir ein Mikrofon ins Gesicht gehalten.

Zum Glück steht auch noch mein Teamkollege und Papa, Walter, mit mir auf der Bühne und ist bestimmt nicht weniger Nervös vor unserer bevorstehenden Runde entlang der Oberösterreichischen Landesgrenze.

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Seit dem Entschluss im Herbst des vergangenem Jahres, dass wir gemeinsam bei der RAA-Challenge an den Start gehen wollen, begann auch für Walter das intensive Training und er hämmerte fleißig in die Pedale.

Unser gemeinsamer Trainingshöhepunkt war sicher die Reise nach Malaga, um gemeinsam in die Frühjahrsform zu finden und dem Winter in Österreich zu trotzen.

Zudem zog er top motiviert den Großteil unserer Sponsoren an Land, besorgte uns das Begleitfahrzeug und fuhr schon Wochen vor dem Rennen spezielle Teilstücke der Strecke ab, um gewisse Schlüsselstellen aufzuspüren, The Devil`s in the Detail 🙂

Um Punkt 17:21 zischt neben uns die Nebelmaschine und unter dem Jubel der zahlreichen Zuseher und bekannten Gesichtern kommt endlich des Rad ins Rollen, auf gehts in das noch ungewisse Abenteuer, Papa hinter mir eingereiht, das Begleitfahrzeug mit Alex, Thomas und Max (zu denen weiter unten mehr) heult auch schon auf und bildet das Schlusslicht.

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Mein Puls ist schon vor der Ortsausfahrt auf über 190bpm, die Knie doch noch etwas weich (weil jeden Tag fährt man ja auch nicht umjubelt von einer Rampe in ein 560 Kilometerrennen), aber die erste Schicht nach dem Start gehört mir und ich steh voll in den Pedalen.

Reini startet mit seinem Kollegen Flo ebenfalls im 2er Team bei der Challenge und sie gehen nur eine Minute hinter uns als letzte Starter ins Rennen, mein erstes Ziel, nicht schon beim Ortstaferl eingeholt zu werden, hab ich somit schon geschafft 🙂

Voll auf Adrenalin über die ersten Hügel, immer wieder umdrehen, ob von Hinten eh niemand kommt, aber der Blick auf meinen Tacho verrät mir nicht nur, dass ich schon ein paar Kilometer mit sehr sehr hohem Puls gefahren bin, nein, auch dass meine Einstellung für die Karte am Garmin nicht so optimal sind wie gedacht!

Also vor lauter Panik kurz falsch abgebogen, aber das Team hupt mich wieder auf den richtigen Weg, da kommt auch schon Reinis Kollege angerauscht. Ich versuch mich so gut es geht dranzuhängen, natürlich das Windschattenverbot beachtend, und ärger mich schon etwas über mich!

Aus so kleinen Fehlern lernt man, davon haben sich schon auf den ersten Kilometern, nein, sogar schon bei der Startaufstellung ein paar eingeschlichen und, trotz Optimismus, werden es wahrscheinlich nicht die letzten Schnitzer für die kommenden Stunden gewesen sein.

Jetzt aber erst mal Walter den Tracker übergeben und ausser Atem in den Bus kriechen, quasi mal der erste Stimmungscheck nach gut 20 Minuten beim Team, wo etwas die Nerven aufgrund der Navistromversorgung angespannt sind.

Da das Tablet, nach der erfolgreichen Testfahrt auf der Challenge-Strecke mit dem Auto, nicht mehr mit Strom in Berührung kam, funktioniert das Laden mit dem Tschickanzünder nicht im eingeschaltenem Zustand (aus diesem Fehler haben wir auch alle gelernt) , das gute alte klassische Roadbook wird zur Hand genommen.

Das lenkt zwar vom kurzen Umweg meinerseits ab, Dauerzustand ist das aber sicher keiner, aber Hauptsache in Bewegung auf der richtigen Strecke und Walter macht volles Tempo und lässt es ordentlich krachen!

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Um am Anfang richtig Tempo machen zu können, entscheiden wir uns für kurze Wechsel und ich sitze nach 20 Minuten schon wieder am Rad und kann mir die Aufregung vom Bus aus den Beinen treten und mich auf das Wesentliche konzentrieren, Rad zu fahren! Da kommen auch schon die ersten Fahrer in Sicht.

Wir bleiben beim schnellen Ablösen und befinden uns mitten im Rennen, Walter müssen wir schon beinahe etwas zügeln, damit er seine Kräfte nicht jetzt schon verschießt, sind ja doch noch 500 Kilometer, aber Papa sitzt perfekt am Rad und matcht sich mit anderen Fahrern um die Position.

Im Bus bei den Wechseln wird die Stimmung auch besser, weil die Stromanzeige vom Tablett jetzt auch schon über die 5% gestiegen ist und langsam stellt sich schon etwas Routine in der gesamten Mannschaft ein, man spürt aber, dass jeder mit vollem Einsatz dabei ist!

Unsere 3 Betreuer:

Alexander Six : Teamchef, grandioser Social-Media-Profi, Motivator, alles unter Kontrolle!

Thomas Neudorfer: “Der Profi”, kennt die taktischen Vorgänge, hat als Betreuer schon einige Fahrer beim RAA begleitet und noch jeden bis ins Ziel gebracht!

Max Groiß: “Der Rookie”, zum ersten Mal beim Race Around Austria, hat sich schon im Vorfeld mit Walter die Strecke eingeprägt und ihn auf vielen Trainingsfahrten begleitet, die Ruhe weg!

Und weiter, noch geht es nur etwas wellig, bzw bis Braunau fast abfallend dahin und es werden die Kilometer gedrückt und langsam kommen die Lichter zum Einsatz, ab 20:00 muss das Fahrrad wie ein Christbaum beleuchtet sein und das Pacecar direkt hinter dem Radfahrer nachtuckern.

Es wird allmählich stock dunkel, die Donau lassen wir Links liegen und jetzt kommen die ersten Anstiege und das gefürchtete Mühlviertel, da folgt ein knackiger Anstieg dem Anderen und das Zucken am Himmel lässt auch nichts Gutes vermuten. Minütlich greift jemand zu seinem Telefon und schaut auf die Wetterapp seiner Wahl, anscheinend hat jeder eine andere, und so sind die Wetteraussichten von staubtrocken zu heftigem Gewitter quer durch die Bank.

Von den Blitzen und dem immer lauter werdenden Donner am Schadenberg lassen wir uns nicht abschrecken, das zieht sicher alles vorbei! Obwohl, jetzt vielleicht eine Regenjacke wär nicht schlecht, besser wird es nicht, eher immer schlimmer und jetzt schüttet es auch schon wie aus Eimern, eine Entscheidung muss her!

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Zu fünft im Bus sind wir zuletzt von Timelkam bis zum Start gefahren und wollten eigentlich so schnell nicht wieder alle zusammensitzen, sogern ich das Team auch mittlerweile habe! Aber dieses Unwetter müssen wir einfach etwas beruhigen lassen, das sehen auch andere Fahrer, die bald auch im Regen stehen bleiben, mal abwarten wann sich die Ersten wieder in Bewegung setzen.

Lagerfeuergeschichten von Unwettern, Radfahrten im Unwetter, und überhaupt Radgeschichten werden erzählt, der Regen lässt minimal nach. Bevor jetzt richtig Hüttenromantik aufkommt schlüpf ich mein Regengewand und zieh mir die Überschuhe an, nach ca 15 Minuten Schlechtwetterzwangspause gehts wieder ab in die Fluten, wird schon bald aufhören!

Zumindest tröpfelt es bald nur mehr und auf gehts über den Ulrichsberg und den Helfenberg nach Freistadt, um 4:00 wird am Schwertberg beginnt schon langsam die Morgendämmerung, aber es ist noch ein ordentliches Stück zu fahren.

Walter zwickt etwas das Knie und bei mir werden die Beine gerade richtig Müde, die Orientierung hab ich schon längst irgendwo im tiefsten Mühlviertel verloren, geschätzt sind wir irgendwo bei Enns oder Steyr, aber diesen gemeinsamen Einbruch müssen wir jetzt mit Unterstützung des Sonnenaufgangs als Team überstehen.

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Vom Team wird uns beiden gut zugeredet, auch wenn wir wahrscheinlich nicht gerade begeistert aussehen, Walter hält sein Knie warm und zischt sich eine Schmerztablette hinter die Binde und ich mach mich über den Traubenzuckervorrat her, immer wieder wechseln, und weiter gehts.

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Das Mühlviertel ist erledigt und das Höhenprofil zeigt zwar noch, dass lange Anstiege kommen, aber Hauptsache kein steiles Rauf und Runter, da findet man wieder leichter in seinen Rhytmus. Jedoch wird es, je Näher wir dem Pötschenpass und Hengstpass kommen, wieder dunkel am Himmel und es fängt an zu regnen. Naja, dann wieder rein in die noch nasse Regenjacke und die feuchten alten Schuhe und rauf auf den Pass! 

In der Ferne blitzt schon wieder die Sonne durch, aber bei der Abfahrt leeren sich die Wolken nochmal richtig über unseren Köpfen, innerhalb eines Kilometers füllen sich die Radschuhe mit gefühlten 5 Litern Wasser und bei dem Tempo fühlt sich der Regen an wie Nadelstiche im Gesicht.

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Der Hengstpass hat es auch nochmal in sich, aber die Aussicht, dass wir danach das Gröbste an Steigungen überstanden haben lässt die Beine gleich wieder lockerer werden, und auch wenn bis jetzt noch niemand vom ganzen Team geschlafen hat, die Stimmung bestens und wir motivieren uns gegenseitig für die letzten 100 Kilometer.

Eigentlich haben wir ja mit einem Wechsel im 40 Minuten-Takt gerechnet und uns das ganz gut für die Erholung und zum Fahren vorgestellt, aber Thomas ist ein Sklaventreiber und lässt uns seit 17 Stunden mindestens 4 Mal in der Stunde wieder abklatschen, wenns länger bergauf geht alle paar Minuten! Aber so kommt wenigstens keine Müdigkeit auf, auch wenn es zwischenzeitlich schon fast stressig wird seine Trinkflasche wieder zu befüllen, die Taktik geht auf und alle sind immer noch voll bei der Sache!

Max schießt bei den Übergaben förmlich die Räder aus dem Bus und hebt uns fast zeitgleich mit einem “supa, sehr guat” von unseren Eseln, während Alexander in der Witzekiste kramt und Schenkelklopfer auf “höchstem Niveau” raushaut.

Walter lässt sich sowieso keine Erschöpfungserscheinungen anmerken und tritt, wie nach einer Stunde im Rennen, in die Pedale und stürzt sich in die Abfahrt des Ziehbergs in Richtung Gmunden.

Diesen Abschnitt hat er sich schon eingeprägt und wir versuchen ihm mit dem Auto auf den Fesen zu bleiben, was im relativ dichtem Verkehr gar nicht so einfach ist!

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Großalmstraße ist jetzt aber wirklich der letzte Berg, der zwischen uns und dem Ziel steht hör ich schon seit längeren im Auto, ich hoffe nur sie behalten recht und beiß schon ordentlich die Zähne zusammen als wir auf die letzten Serpentienen am Hochlecken zusteuern.

Walter nimmt mir auf den letzten Kilometern vorm Gipfel nochmals den Transponder ab und wir preschen mit dem Auto voraus um alles für die Abfahrt klar zu machen.

Auf der Kuppe warten schon Walters Groupies, angeführt von Karola und Papa setzt zum Bergsprint in der Manier eines Profis an und übergibt mir wenig später unter Jubel von doch beachtlichen 15 Leuten wieder den Tracker und die Abfahrt gehört mir!

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Wahnsinn, was für eine Abfahrt! Zu meiner Schande fahr ich sie zum ersten Mal, aber dafür mit geschwellter Brust und vollem Zunder, da taucht auch schon der Attersee auf und ich kann mir eine” Becker-Faust “ nicht zurückhalten.

Unten am See angelangt muss ich unweigerlich an den vergangenen Winter denken, virtuell vom Ergometertraining kenn ich schon fast jeden Kanaldeckel und weiß auch wenns mal einen Hügel gibt, und ich schlängel mich durch den Seeverkehr zum nächsten Wechsel.

Von entgegenkommenden Radfahrern und sogar vom Fahrer des Müllwagens werden wir angefeuert, je näher wir St.Georgen kommen und die letzten (falls noch vorhanden) Reserven werden ausgepackt.

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Nur ein paar Kilometer vor St.Georgen gibt es eine Stelle, ab der gehts nur noch bergab in Ziel, das weiß ich vom letzten Jahr als Betreuer, und genau auf diese Stelle freu ich mich schon seit gut 20 Stunden, und da ist sie!

Die gesamte Crew fällt sich hier schon in die Arme und beglückwünscht sich als hätten wir die Ziellinie schon überquert, aber weit kann es nicht mehr sein, und wer weiß, bei dem ganzen Presserummel der vielleicht in St.Georgen auf uns wartet…

Ab jetzt geht es in Paarzeitfahrmanier auf die letzten Kilometer und wir können es beide kaum glauben was wir in den letzten Stunden geleistet haben, endlich wieder dort angekommen wo vor über 20 Stunden unsere Challenge begonnen hat.

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Mit Rollern begleitet und unser Team im Pacecar voraus geht es in Richtung Hauptplatz vorbei an hunderten begeisterten Zusehern und Papa und ich überwinden die letzten 2 Höhenmeter auf die Bühne des Race Around Austria.

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In 20 Stunden und 27 Minuten (die 15min Zeitstrafe zähl ich nicht mit) haben Walter und ich gemeinsam mit unserer Crew 560 Kilometer zurückgelegt und rund 6500 Höhenmeter überwunden, mit dieser Leistung sind wir mehr als zufrieden und haben unsere vorgenommene Zeit von 22 Stunden trotz Regenpause locker unterboten.

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Vielen Dank an das großartige Team das immer die Nerven bewahren hat, allen unseren Unterstützern, von aufmunternden Nachrichten bis zur Tankkostenbeteiligung, dem Team des Race Around Austrias für dieses geniale Rennen und natürlich größten Respekt vor Walters überragender Leistung! #Teamspirit 

Bericht von Christoph Six

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